Liebe Jungs
Mir wurde hier im Blog schon nachgesagt, die Müdigkeit komme hier auf diesen Seiten viel zu kurz. Dem stelle ich mich nun mit einem Text entgegen, der nur so vor Müdigkeit strotzt: Ein Brief an meine Kinder. In Gedanken geschrieben im Bett.
Liebe Jungs,
ich bin müde. Ich möchte nicht aufstehen.
Ich weiß, ich habe mal gesagt, ich bin immer für euch da. Lasst mich das neu formulieren: Ich bin immer für euch da, außer früh morgens wenn ich noch müde bin, schlafen möchte und keiner von euch sich in einer existenziellen Notlage befindet.
Unser Problem ist, dass während ich bei Notlage an ausbrechende Krankheiten, blutige Wunden, brennende Kinderzimmer oder arges Hunger und Durstgefühl denke, hängt die Notfall-Latte bei euch viel tiefer. Ach was, diese Latte hängt gar nicht, sondern liegt am Boden rum und ist jederzeit mit einem leichten Anheben der Füße zu überqueren. Zum Beispiel, wenn ihr inmitten eures selbst verursachten Zimmerchaos steht und eure Stickeez nicht findet. Wobei “Nicht finden”, der Situation nicht gerecht wird. Denn um “nicht zu finden” müsste man auch “suchen”. Euer Suchen ist aber eher ein Blick schweifen lassen. Nur ganz kurz und auch nur von exakt der Stelle aus, wo euch die Stickeez gerade eingefallen sind. Wenn ihr dann von dort nichts seht, bekommen die gesuchten Gegenstände das Label “total nicht findbar”.
Dann kommt ihr rüber ins Schlafzimmer ans Bett und ruft diese für euch existentielle Frage nach dem Aufenthaltsort dieser Werbedinger in den Raum. In einen schlafenden Raum. Einfach so. Und erwartet eine Lösung.
Stickeez ist dabei nur ein Beispiel. Manchmal sind es Accessoires von Playmobil-Männchen, Kleinteile von Lego oder irgendwelche Schlüssel, die ihr dann unbedingt braucht. Es kann einfach alles sein. Dieses fordert ihr dann von einem Menschen ein, der mit geschlossenen Augen vor euch liegt. Einfach so. Und erwartet eine Lösung.
Das Kissen, dass ich euch in Gedanken mit den Worten “Lasst mich schlafen” entgegen pfeffere erwartet ihr nicht. Aber das wäre auch keine Lösung, sondern der Auftakt zu einer Kissenschlacht und Gehupfe im Bett. Meinem Bett. Dem Bett, wo ich müde drin liege und welches ich nicht verlassen möchte. Das ist dann erst recht keine Lösung.
Man steht besser auf, erledigt die gewünschte Aufgabe und geht dann wieder ins Bett. Wohlwissend, dass das nicht das letzte Mal war.
Ich bin müde. Ihr wisst gar nicht, wie das so ist, wenn man immer kurz bevor man einschläft, in die Wachphase zurückgerufen wird. Durch ein Nase, die läuft. Durch Pipi, das raus will. Durch Hörspiele, die anzuhören sind. Durch gemalte Bilder, die präsentiert werden. Das ist der Rhythmus: aufgeweckt - eingeschlafen - aufgeweckt - eingeschlafen - aufgeweckt - eingeschlafen. Bett-Tikitaka. Moderne Art der Schlaf-Folter. Waterboarding im Bett.
Klar sagt ihr jetzt, ich übertreibe. Da habt ihr recht. ABER ICH BIN MÜDE. Müde Menschen übertreiben. Müde Menschen dürfen übertreiben. Die Übertreibung ist das einzige, was uns bleibt, nachdem der Schlaf und die Nachtruhe sich bis zum nächsten Abend verpisst haben.
Ich bin müde.
Jungs, nur noch 5 Minuten. Dann steh ich auf.