Per Zufall Vater werden
Über zwei Tage verteilt, in insgesamt zwei sehr intensiven Stunden, habe ich ein Buch gelesen. Das Buch war der 1680. Band aus der "Mami"-Reihe mit dem Titel "Per Zufall Vater werden", geschrieben von einer Silva Werneburg. Warum, ich das Buch gelesen habe? Es war nicht meine Entscheidung.
Hier kommt nun ein ausführlicher Lektürebericht aus den Tiefen des Groschenromans.
Es war verstörend, überraschend, anstrengend. Es war unglaublich schön. Als es vorbei war.
Los geht's.
„In heiterer Stimmung durchwandert Cordula Juvenius den Stadtpark.“
So fängt das Buch an. Cordula ist eine der Hauptpersonen der Geschichte und wie wir sehr bald erfahren, ist diese positive Stimmungslage ein Resultat ihres Zustands: Cordula ist schwanger.
Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass im Laufe der Geschichte unsere Cordula ihre heitere Stimmung verlieren wird. Anstatt den Stadtpark zu durchwandern, wird sie sich auf eine Reise in die eigene Vergangenheit begeben. Am Ende wird sie stürzen. Aber dazu später mehr.
Cordula Juvenius, Arzthelferin und Mutter einer Tochter, ist also schwanger. Der Vater ist Cordula auch bekannt. Er heißt Robert Hahnbusch, ist nicht mit Cordula verheiratet, installiert beruflich Computeranlagen und ist daher sehr viel unterwegs. Robert Hahnbusch weiß zu Beginn des Buches noch nicht, dass er Vater wird. Er ist in Hamburg beim Arbeiten.
Wer aber schon Bescheid weiß, ist Kathrin. Kathrin ist die 10-jährige Tochter von Cordula. Kathrin führt unglaublich gerne altersuntypische Dialoge mit ihrer Mutter, ihrer besten Freundin oder mit jedem anderen in diesem Buch. So untypisch, dass man beim Lesen gerne den Verantwortlichen finden und schimpfen möchte, der diesem jungen Wesen die Kindheit gestohlen hat. Frau Werneburg, ich schaue Sie an!
Ein Beispiel? Bitte sehr. So reagiert Kathrin auf die Nachricht Ihrer Mutter, dass sie große Schwester wird:
„Ich finde es prima, endlich kein Einzelkind mehr zu sein. Wann wird das Baby denn geboren?“ [...] Und was ist mit Robert? Er ist doch der Vater. Werdet ihr beide nun etwa heiraten? [...] Wirst du ihn, wenn ihr verheiratet seid, lieber mögen als mich?“
Für alle, die interessiert sind an Cordulas Antworten auf diese Fragen: Ein bißchen Geduld braucht Kathrin noch - Ja, Robert und sie werden heiraten - Ganz sicher nicht, Kathrin bleibt ihr das Liebste.
Der Leser erfährt auch gleich, dass Kathrin Robert nicht ausstehen kann und ihn sich somit auch nicht als Stiefvater wünscht.
Was für ein krasser Konflikt sich da anbahnt, denkt man sich und blättert weiter.
Mit dem Umblättern folgt man Kathrin und Ihren Sorgen in die Nachbarwohnung zu ihrer besten Freundin Nina. Nina ist die Tochter von Eva Ottensen, der besten Freundin von Cordula.
Nina Ottensen, erfährt man sogleich, hat keinen leiblichen Vater mehr, jedoch einen Stiefvater. Ninas Stiefvater ist die einzige Person im Buch, die im übrigen keinen Namen bekommt. Er heißt immer nur „der Stiefvater“ und hat auch keine wichtige Rolle. Das Buch wird beherrscht von weiblichen Charakteren. Ich glaube das hat was mit der Zielgruppe zu tun.
Doch zurück zu den beiden Mädchen: Bei dem Gespräch zwischen den beiden versucht Nina, Kathrin die Sorgen zu nehmen und erzählt ihr, wie gut es mit Ihrem Stiefvater läuft und wie toll es ist, einen Vater zu haben. So ganz überzeugt Nina Kathrin aber nicht. Der Konflikt lebt.
Es kommt also der Tag an dem Robert zurück ist und Cordula ihm die tolle Nachricht verkünden wird. Robert muss sich für die angekündigte "Überraschung" noch bis nach dem Essen gedulden. Dann aber legt Cordula in einem sensationellen starken Absatz los:
„Während du in Hamburg warst, hat sich einiges ereignet. [...] Wir kennen uns schon so lange und lieben uns. Wahrscheinlich hast du auch schon einmal daran gedacht, dass wir irgendwann heiraten sollten. Ich glaube, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt gekommen, ganz konkret an unsere Hochzeit zu denken [...] Robert, wir beide bekommen ein Baby. Ist das nicht wunderbar?"
Schnitt auf Robert: „Panik stand in seinen Augen“.
Und hier fasse ich Roberts Antwort kurz zusammen: Für ihn ist das eine - ich zitiere - Katastrophe. Er will das Kind nicht und schlägt eine Abtreibung vor. Auch wirft er Cordula vor, dass sie das Kind geplant hat, um ihn an sich zu binden. Und im übrigen: Er ist ein verheirateter Mann und ist schon Vater von zwei Söhnen - fünf und sieben Jahre alt.
Boooooom!
Das hat man nicht kommen sehen. Da ist man noch voll im Konflikt-Dreieck Kathrin, Robert und Cordula und dann kommt da so ein Doppelleben daher und bringt alles durcheinander. Meisterhaft.
Cordula hat das selbstverständlich genauso wenig kommen sehen und reagiert adäquat: mit Verstoß. Sie werde das Kind alleine großziehen und Robert solle verschwinden.
Was dieser dann auch tatsächlich tut. Robert ist raus.
Bislang sind erst 12% des Buches gelesen und die vermeintlichen Hauptcharaktere fallen in „Per Zufall Vater werden“ schon in "Game of Thrones"-ähnlicher Geschwindigkeit raus. Ich lese mein Game of Love weiter.
Nach diesem ersten Teil der Geschichte, in dem Cordula heiter startet und hemmungslos weinend endet, kommt es dann noch zu einem folgenschweren Gespräch der beiden 10 und 11-jährigen Kinder. Anstatt sich YouTube Videos anzuschauen oder über Jungs aus der Klasse zu schimpfen, spricht die super-erwachsene 11-jährige Nina lieber von der Stigmatisierung vaterloser Kinder. Sie möchte ihre beste Freundin Kathi vor diesem Schicksal bewahren und gibt ihr daher folgenden Ratschlag:
„Verrate niemals jemanden, dass es bei euch keinen Vater gibt.“
Ganz toll, Nina.
Dieser Satz ist Schuld, dass die Geschichte nicht in der Hälfte der Zeit erzählt werden kann. Und mit diesem Satz endet auch der erste Teil des Lektüre-Berichts . Nicht ohne noch die Frage zu stellen, die an diesem Punkt über allem im Raum steht: Wenn Robert Hahnbusch nun weg ist, wer zum Henker wird jetzt hier aus Zufall Papa?
Fortsetzung folgt.