Auf dem Heimweg vor paar Monaten begegneten wir diesem parkenden Auto. Ein Foto wurde gemacht und das Bild lag seitdem digital rum. Jedes Bild hat eine Geschichte, dachte ich jetzt und habe meine Geschichte aufgeschrieben. Parallelen zu Herr Pess und sein Bär sind selbstverständlich nicht zufällig, sondern zeugen von der leichten Beinflussbarkeit des Autors. Auch ist dies der letzte Bärentext in diesem Jahr.
Es war ihm so scheißegal, was die anderen dachten. Den großen Bären angeschnallt neben sich im Auto zu wissen, gab ihm einfach ein gutes Gefühl. Nur so konnte er ruhig und unaufgeregt durch die Stadt fahren. Mit dem Bären war der Spurenwechsel von ganz links nach rechts kein Problem. Mit ihm war sogar Linksabbiegen ein Klacks. Lediglich beim Einparken half selbst die Anwesenheit des Riesen-Teddys nicht wirklich. Denn mit oder ohne Bär auf der Beifahrerseite: er war und blieb einfach ein grottenschlechter Autofahrer.
Auf seiner Visitenkarte stand: „Hubert Schwitzkenmeier-Hageldonk - Langer Name, kurzer Prozess.“ Er war stolz auf diesen schmissigen und einprägsamen Slogan und hatte auch gleich 1.000 Karten in Druck gegeben. Er war sich sicher: Sobald die Karten geliefert sind, würde ihm schon einfallen, mit was er denn in Zukunft Geld verdienen könnte.
Denn Hubert Schwitzkenmeier-Hageldonk hatte schon einige erfolglose Versuche hinter sich, seine Zukunft auf gesunde berufliche Beine zu stellen: er war schon UltraMarathon-Trainer für Alkoholiker, Caddie auf einer Minigolfanlage, Reisebegleiter für Gefängnisinsassen, Designer für Müllabfuhruniformen und Skateboardtaxi-Unternehmer. Doch nichts wollte klappen. Was nicht an ihm lag, sondern meist am Markt, der einfach für diese Ideen noch nicht reif war. Aber diesmal - mit der passenden Visitenkarte - würde es funktionieren. Das spürte er. Er hatte sich auch schon eine Liste von beruflichen Herausforderungen gemacht, die vielversprechend klangen:
- Prozess-Berater für unkomplizierte Prozesse. Denn allein der Gedanke an komplizierte Prozesse machte ihn schon ganz blümerant.
- Spontaner Alibi-Geber vor Gericht für kleine Delikte aller Art.
- Impulsiver Abriss-Unternehmer
- Kreativer Geldeintreiber für kundenzentrierte Inkassounternehmen
Schwitzkenmeier-Hageldonk war auf der Suche. Zum einen nach einer beruflichen Zukunft und zum anderen nach einem Parkplatz. Es machte Ihn sauer, dass letzteres nicht klappen wollte. Er fuhr schon seit 16 Minuten die Straßen seines Wohnviertels ab, ohne eine Parklücke zu finden. Dass er alle 4 Minuten an dem ein und denselben Café mit Außenbestuhlung stehen bleiben musste, um von den ein und denselben Personen wegen seines Beifahrer-Bären ausgelacht zu werden, war seiner Laune nicht gerade zuträglich.
Und so passierte, was immer passierte, wenn Schwitzkenmeier-Hageldonk im Auto so richtig sauer wurde. Er ließ die schlechte Laune an seinem Bären aus. Er schimpfte auf Ihn ein. Machte ihn verantwortlich für seine aktuelle Parkplatzmisere, für vier der letzten acht beruflichen Niederlagen und selbst dafür, dass nach Lionel Richie und Eros Ramazotti nun auch noch Simply Red im Radio los sang. Simply Red! Schwitzkenmeier-Hageldonk hörte und sah im Auto rot.
Aber glücklicherweise sah er auch noch etwas anderes: eine Parklücke. Nach 7 Versuchen stand das Auto das erste Mal so in der Lücke, dass es für Gehsteig und Straße kein Hindernis darstellte. Hubert Schwitzkenmeier-Hageldonk, dessen schlechte Laune bei all der Einpark-Action völlig verflogen war, war stolz, dass es diesmal so gut geklappt hatte.
Er freute sich jetzt auf einen entspannten Abend. Er würde es sich vor dem Rechner gemütlich machen, die Sendungsverfolgung seiner Visitenkarte-Lieferung öffnen und alle 10 Minuten die Seite aktualisieren, um zu sehen, ob er seinem beruflichen Neuanfang schon ein Stückchen näher ist.
Der Riesen-Teddy blieb derweil angeschnallt im Auto zurück. Bereit für die nächsten Spurwechsel, Linksabbiegungen und Parkplatzsuchen. Bereit für einen neuen Tag mit Schwitzkenmeier-Hageldonk am Steuer. Und es war auch ihm so scheißegal, was die anderen dachten.