Es gibt zwei Dinge, die haben meine Kinder noch nicht so oft von mir gesehen. Das eine ist der Anblick, dass ich etwas repariere und das andere ist: ich beim Sport. Das ist nicht weiter schlimm, dafür glänze ich regelmäßig im Höhlen- und Rampenbau, Vorlesen, Kitzeln und Kuscheln. Nicht zwingend gleichzeitig.
Schön ist, dass Xaver jetzt mit zwei Jahren entschieden hat, reparieren „paparieren“ zu nennen. Und am allerschönsten finde ich, wenn dann immer ein „Das heißt mamarieren. Der Papa repariert nix! “ durch die Wohnung schallt. Xaver lässt sich von der Meinung seiner Mutter nicht beeindrucken. Für ihn gehören Autos papariert.
Beim Sport ist das anders. Wenn jemand das Thema Sport bei uns besetzte, dann war das die Mama. “Mama geht in Sport” und "Mama macht Sport" sind akzeptierte Abwesenheitsgründe für die Jungs. Sie sind so akzeptiert, dass Mama manchmal auch im Sport war, wenn es eigentlich woanders hinging. Aber nur manchmal.
"Papa macht Sport" war dagegen ein Satz, den meine Kinder lange nicht hörten.
Meine Sportlichkeit beschränkte sich in den letzten Jahren im Wesentlichen auf: „Den Kinderwagen eine Treppe hochtragen, weil die Rolltreppe kaputt ist“, „Das Kind tragen, weil der Wille allein weiterzulaufen kaputt ist.“ und „Kraxe nach einiger Zeit absetzen, weil der Rücken kaputt ist“
Zu stärker werdenden Rückenschmerzen kam noch die Tatsache, keine fünf Meter laufen zu können, ohne einen metallenen Broccoli-Geschmack im Mund und immenses Jucken in den Beinen zu bekommen. Ich bin kein Mediziner, aber ich deutete das als untrügliches Zeichen, dass ich die Talsohle meiner Fitness nun dann doch erreicht hatte. Also meldete ich mich im Oktober bei Kieser an.
Kieser: Das ist das ZDF unter den Fitnessstudios und eine Art Zentralbibliothek für Rückentraining - ein stiller, spass-befreiter Ort voller älterer Menschen mit Klemmbrettern. Das war der Ort, den ich mir für die Gutwerdung meiner körperlichen Fitness ausgesucht hatte.
Am Anfang einer jeden Kieser-Sportkarriere steht ein Gesundheitscheck. Und was soll ich sagen, der Eindruck meines persönlichen Verfalls hat sich in diesem Check nur bestätigt. Auch wenn der Kieser-Mann mir Mut machen wollte, meine Werte waren katastrophal: Mein Körperfettanteil war nur ein Fitzelchen entfernt von “Adipositas”. Mein Body-Mass-Index hat sich solide im Übergewicht-Status eingerichtet und meine Muskelmasse-Bewertung ist ganz nah dran am roten Feld des Farbspektrums.
Immerhin ist mein Viszeralfett-Level “günstig”. Ich habe keine Ahnung, was das heisst. Aber das ist der Strohhalm, mit dem ich meinen müden, schlappen Körper motiviere: “Denk an dein Viszeralfett-Level!” sag ich mir dann immer und tue Dinge, die Menschen tun, die keine Ahnung haben was Viszeralfett so ist.
Das schlimmste Ergebnis war jedoch der Befund meines metabolischen Alters. Während ich jedes Jahr biologisch ein Jahr älter werde, macht der Stoffwechsel anscheinend sein eigenes Ding und altert entweder langsamer oder schneller. Dabei dient das metabolische Alter als ein Indiz für die eigene Fitness. Jünger als das biologische Alter ist gut, älter ist schlecht.
Zwischen meinem biologischen und meinem metabolischen Alter lagen ganze 9 Jahre. NEUN! Das ist älter als Anton und Xaver zusammen! Während mein biologisches Alter letzten Oktober mit 38 Jahren so alt war wie YMCA von den Village People, tanzte mein metabolisches Alter auf Tony Marschalls 1972 Hit „Komm, gib mir deine Hand“. Oh mann.
In dem Marschall-Song heißt es “Das Leben ist doch viel zu kurz, drum seid gescheit.” und weiter: “Es wird Rabatz gemacht. Solange bis die ganze Bude kracht.” Tonys Worte sind für mich jetzt mein Auftrag: Ich nehme mein metabolisches Alter an die Hand und mache Kieser-Rabatz, bis die Bude kracht. Naja, oder bis das 2 Minuten Intervall rum ist.
Denn: Papa macht jetzt Sport.
Im übrigen: Wenn ich meine Jungs frage, was Papa in Sport macht, dann reißen sie die Hände in die Höhe, kneifen die Augen zusammen und bewegen unter Stöhnen ihre Arme nach unten. Fragt man die beiden, was Mama in Sport macht, dann gehen sie still in den Vierfüßlerstand, drücken den Po ganz weit nach oben und verharren in dieser Pose.
In Sachen pantomimischer Darstellung von Elternsport gewinnt in der Kategorie Ästethik eindeutig: Yoga.
Anmerkung:
Dieser Text wurde in einer Zeit geschrieben, in dem man auch zum Kieser-Training hätte gehen könne.
Der Autor entschied sich dagegen. Das Viszeralfett-Level ist ja günstig.